Kabuki Frame
- Daniel Weiss

- 9. Nov.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Nov.

In den Untergeschossen Tokios verkörpert er eine Bewegung, die die Grenzen zwischen Theater, Mode und Identität auflöst – eine Rückkehr der Masken in eine Zeit, die vergessen hatte, wie sehr sie sie braucht.
Ich hatte nicht erwartet, an diesem Abend noch etwas zu sehen, das mich verstummen lassen würde. Tokio, Freitag, 22:47 Uhr. Eine Adresse, die mir jemand im Flüsterton in einem Café in Daikanyama gegeben hatte. „Geh einfach runter in die Garage“, hatte sie gesagt. „Wenn du denkst, du bist falsch, bist du richtig.“
Die Luft roch nach Beton und Parfum. Auf dem Boden klebte Tape, das zu improvisierten Wegen führte. Und dann waren da plötzlich Menschen – Dutzende, vielleicht Hunderte. Keine Musik, kein Club. Nur Licht, das plötzlich anging. Und in diesem Moment begriff ich, dass ich nicht in einem Rave war, sondern in einer Aufführung.
Ein junger Mann stand in der Mitte, ruhig, barfuß, das Gesicht bemalt in Weiß, Schwarz und tiefem Rot. Das Make-up erinnerte an Kabuki – diese jahrhundertealte Theaterform, die einst von Männern gespielt wurde, die Frauen darstellten, mit Gesten so präzise, dass ein Zucken genügen konnte, um Schmerz zu zeigen. Aber das hier war anders. Kein Kostüm, kein Orchester, kein goldener Vorhang. Nur Licht, Körper und Stille.
Er bewegte sich langsam, fast trotzig, mit einer Eleganz, die nichts beweisen wollte. Später erfuhr ich seinen Namen: Ren Sato. Ein Tänzer, Performer, Model – je nachdem, wen man fragt. Für viele ist er das Gesicht einer neuen Bewegung, die Kabuki aus den Theatern in die Gegenwart holt.
„Wir spielen nicht Tradition“, sagte er später, als ich ihn nach der Show in der Nähe eines Lieferwagens traf, in dem Kostüme und Lichter verstaut wurden. „Wir spielen uns selbst. Kabuki war nie alt. Es wurde nur zu ernst genommen.“
Die Gruppe um Ren – Designer, Musikerinnen, ehemalige Schauspieler – nennt sich Kabuki Frame. Sie treten auf, wo man es nicht erwartet: in Parkhäusern, leerstehenden Kaufhäusern, provisorischen Galerien. Ein einziger Post, ein Ort, ein Licht. Manchmal dauert es zehn Minuten. Manchmal bis zum Morgengrauen.
Ich sah Ren später an diesem Abend noch einmal. Er saß auf einer Kiste, ein Skript auf den Knien, das Make-up halb verwischt. Neben ihm dampfte ein Pappbecher Kaffee. Er sah müde aus, aber wach in einem anderen Sinn. Vielleicht, dachte ich, ist das die wahre Kunst des neuen Kabuki: nicht, jemanden zu spielen, sondern zu bleiben.
Und als ich die Tiefgarage verließ, war mir klar, dass etwas begonnen hatte. Kein Trend, kein Hype, sondern eine Bewegung – leise, präzise, schön. So alt, dass sie wieder neu ist.
DWHH.art ist das persönliche Kunstprojekt von Daniel Weiss – eine Zusammenarbeit zwischen Mensch und AI. Alle Geschichten und Bilder sind Fiktionen – erschaffen mit künstlicher Intelligenz, erzählt mit menschlicher Vorstellungskraft. Für alle, die glauben, dass Schönheit denken darf.























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