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Die Meisterin der Süße

  • Autorenbild: Daniel Weiss
    Daniel Weiss
  • 26. Okt.
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 22. Nov.

Foyer und neue Versuchsküche des Hôtel de Clémence. Hier verschmelzen Pariser Neoklassizismus und industrielle Präzision zu einer neuen Ästhetik des Handwerks. IMAGE: AI generated by Daniel Weiss
Foyer und neue Versuchsküche des Hôtel de Clémence. Hier verschmelzen Pariser Neoklassizismus und industrielle Präzision zu einer neuen Ästhetik des Handwerks. IMAGE: AI generated by Daniel Weiss

Das Licht im Foyer


Es riecht nach Vanille, Metall und einer Art gedämpfter Spannung. Die Versuchsküche des Institut National des Desserts Nominatifs, untergebracht in der ehemaligen Empfangshalle eines Pariser Verwaltungsgebäudes, wirkt wie ein seltsamer Hybrid: Neoklassizismus über den Köpfen, Edelstahl unter den Händen. Zwischen diesen beiden Welten bewegt sich Apolline Faure, 26, die jüngste Präsidentin, die dieses Institut je hatte – und die erste Frau seit seiner Gründung im Jahr 1871. Unter der weißen Jacke blitzt ein Tattoo hervor, an ihrem Hals hängt die abgebrochene Silberschaufel ihrer Großmutter. Ein Stück Besteck aus einer Postkantine, unscheinbar – aber ein Talisman. „Du bist nicht mit einem silbernen Löffel im Mund geboren“, hatte die Großmutter gesagt, „aber vielleicht wirst du diejenige sein, die ihn eines Tages hochhält.“ Für Faure war das weniger Trost als Auftrag.


Die Liste der Namen


Was viele nicht wissen: Dieses Institut ist keine höfliche Runde von Feinschmeckern, sondern ein Ort der Tradition – hart, beharrlich, meist grauhaarig. Die Namenskommission bestand jahrzehntelang aus denselben Männern. Männern, die Desserts als Denkmäler behandelten, nicht als lebendige Sprache. Wer ein neues Rezept einreichte, musste nicht nur überzeugen, sondern bestehen. „Ich habe im ersten Jahr öfter angeklopft als gesprochen“, sagt Faure. Doch sie blieb. Sie lernte zuzuhören. Sie lernte zu lesen, wie diese Tische funktionieren. Und irgendwann sagte einer der älteren Herren – halb spöttisch, halb anerkennend –: „Sie sind hartnäckiger als wir alle zusammen.“ Vielleicht war es ein Kompliment. Vielleicht auch eine Kapitulation.


L’Entremets Eilish – ein Dessert zwischen Pop und Perfektion. Limette, Rauchsalz, Mandelboden und einer glänzenden Oberfläche, die man erst brechen muss, um sie zu verstehen. IMAGE: AI generated by Daniel Weiss
L’Entremets Eilish – ein Dessert zwischen Pop und Perfektion. Limette, Rauchsalz, Mandelboden und einer glänzenden Oberfläche, die man erst brechen muss, um sie zu verstehen. IMAGE: AI generated by Daniel Weiss

Der grüne Einspruch: L’Entremets Eilish


An diesem Morgen steht ein Dessert auf dem Edelstahltisch, das wie ein Streitpunkt aussieht: L’Entremets Eilish. Ein glatter grüner Körper, still wie ein Helm, kühl wie ein Kommentar. Außen makellos, innen salzig – ein Bruch in sich selbst. In den frühen Sitzungen sagten einige der alten Köche: „Das ist kein Dessert, das ist ein Statement.“ Apolline nickte. Genau darum ging es. „Man muss es zerbrechen, um es zu schmecken“, sagte sie damals. Heute führt sie das Messer über die Glasur, die Kuppel bricht lautlos, der Dampf steigt wie ein Atemzug. Kein Tribut an Billie Eilish, sondern eine Frage: Was darf Süße sein, wenn man sie neu denkt? Wer entscheidet darüber – und warum?



Das Archiv der Süße


Einmal pro Woche steigt Faure in den Keller hinab. Dort stehen die Metallregale wie stille Zeugen: Wachssiegel, Papierrollen, Gerichte, die längst Teil des kulturellen Gedächtnisses sind. Pavlova. Sachertorte. Millefeuille. Hinter jedem Namen eine Debatte, ein Machtkampf, ein Sieg. Sie nimmt eine Rolle aus dem Regal, bricht das Siegel: die Pavlova. „1927, benannt nach der Tänzerin Anna Pawlowa.“ Australien und Neuseeland stritten, Frankreich entschied. Die alten Männer erzählten diese Geschichte gern – mit Stolz. Heute liest sie sie anders: als Erinnerung daran, dass solche Entscheidungen nie neutral waren. Und niemals einfach. „Ein Name“, sagt sie, „ist ein Stück Vergangenheit, das man neu balancieren muss.“


Apolline Faure, 26, Présidente du CNND. In ihrer Küche trägt sie eine vererbte abgebrochene Silberschaufel eines Löffels ihrer Großmutter. IMAGE: AI generated by Daniel Weiss
Apolline Faure, 26, Présidente du CNND. In ihrer Küche trägt sie eine vererbte abgebrochene Silberschaufel eines Löffels ihrer Großmutter. IMAGE: AI generated by Daniel Weiss

Das Soufflé Abramović


Ihr Lieblingsfall – und ihr größter Triumph – war das Soufflé Abramović. Ein Gericht, das erst serviert werden darf, wenn es zusammenfällt. Drei Stunden saß sie damals vor dem Ofen, während hinter ihr die Kommission diskutierte, ob ein Gericht, das über seine eigene Vergänglichkeit spricht, überhaupt zulässig ist. Einer sagte: „Das ist zu modern.“ Ein anderer: „Das versteht niemand.“ Sie schwieg. Wartete. Das Soufflé sank. Und im Moment des Zusammenbruchs wussten sie alle, dass es ein Meisterwerk war. Die Abstimmung fiel knapp aus – vier zu drei. Ihr erster Sieg.


Die Frau mit der Schaufel


Abends verlässt sie das Institut nicht mehr in der steifen Kochjacke, sondern in ihrer schwarzen Motorradjacke. Der Löffel der Großmutter schwingt über dem Leder, ein kleiner metallischer Halbmond im Licht der Rue Haussmann. Hinter ihren Schritten hallen die Stimmen der Männer, die sie einst belächelt hatten – jetzt bitten sie sie um Rat. Und während sie in die kühle Luft der Pariser Abendstraße tritt, spürt man, dass „Meisterin der Süße“ nicht der Titel ist, den sie angestrebt hat. Es ist der Titel, den sie sich erarbeitet hat. Gegen Widerstände, gegen Erwartungen, und – vielleicht – auch ein wenig gegen die Vergangenheit.





DWHH.art ist das persönliche Kunstprojekt von Daniel Weiss – eine Zusammenarbeit zwischen Mensch und AI. Alle Geschichten und Bilder sind Fiktionen – erschaffen mit künstlicher Intelligenz, erzählt mit menschlicher Vorstellungskraft. Für alle, die glauben, dass Schönheit denken darf.


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