Die Stofferbin
- Daniel Weiss

- Oct 25
- 3 min read
Updated: 3 days ago

Im Garten der alten Villa raschelt es leise, als der Hund über den Kies läuft. Bruno heißt er, ein Lagotto mit honigfarbenem Fell. Er lebt seit fünf Jahren auf dem Anwesen, kennt jede Ecke, jedes Knarren der Dielen, jedes Blumenbeet. Auf dem Sofa liegt sein Lieblingskissen – ein Stoff aus wasserabweisender Baumwolle, intensiv orange, robust, weich, eigens für ihn genäht. Und doch: dieser Stoff war nie für einen Hund gedacht. Er war der erste Schritt einer Rückeroberung.
Cecilia Moriano sitzt am großen Tisch, die Zigarette glüht zwischen den Fingern, ohne dass sie daran zieht. Der Blick: offen, müde aber irgendwie auch hellwach. Das Haar: gebändigt und dann doch wieder wild. Vor ihr Skizzen, ein alter Fächer mit Farbmustern, lose Papierbögen, auf denen Aquarellblumen tanzen. Die Fensterläden stehen offen, der Frühling zieht durch das Haus – und mit ihm eine Geschichte, die nie so erzählt wurde.


Eigentlich sollte alles anders kommen. Das Unternehmen Moriano, gegründet von ihrer Urgroßmutter, geformt durch die strenge Hand des Vaters, war seit jeher eine Männergeschichte. Cecilia galt als „die Kreative“, die kleine Schwester, die Blumen malte, aber nicht zählte. Ihr Bruder war der Erbe. Der Kronprinz. Und sie? Ein Nebencharakter.
Doch dann trat er zurück. Überraschend. Ohne Drama, ohne große Worte. Und mit einem Mal wandte sich der Blick des Vaters auf Cecilia. Nicht aus Überzeugung, sondern aus Not. Die Firma stand kurz vor dem Verkauf, die Produktion war veraltet, der Markenwert verblasst. Cecilia stellte eine einzige Bedingung: „Ich mache es. Aber nur auf meine Art.“
Und so holte sie jenen Stoff zurück, den niemand mehr auf dem Schirm hatte. Ein orangefarbener Baumwollstoff, der einst von ihrer Urgroßmutter entworfen wurde – kräftig, eigenwillig, inspiriert vom Licht der italienischen Nachmittage. Sie ließ ihn neu verweben, versiegelte ihn gegen Wasser und Gerüchte, und machte ihn zum Kern einer Kollektion, die nie laut wurde, aber auffiel.
Heute lebt Cecilia mit Enzo, ihrem Mann, auf dem Gelände der Fabrik. Ein Teil des Grundstücks musste verkauft werden, dort stehen nun rechteckige Häuser mit Rollrasen. Es schmerzt sie – jeden Tag ein bisschen. Manchmal raucht sie heimlich am Fenster, schaut auf das Neubaugebiet, während Bruno neben ihr einschläft.
Enzo ist Fotograf. Still, zurückhaltend, ein Mann mit weitem Blick. Er fotografiert keine Modestrecken, sondern Fensterbänke, Hände, leere Tische. Wenn man ihn fragt, was er an Cecilia liebt, sagt er: „Dass sie leise kämpft. Ohne Rüstung, aber mit Haltung.“

Im hinteren Teil des Gartens wachsen Blumen, die nur einmal im Jahr blühen. Cecilia sammelt sie, trocknet sie, zerreibt sie zu Pigmenten, mit denen sie ihre Skizzen koloriert. Ihre neue Kollektion entsteht aus diesen Farben – zart, gebrochen, leuchtend. Papier, Stoff, Licht.
Und wenn sie spätabends durch das Haus geht, barfuß, den Hund im Schlepptau, dann wirkt es fast so, als hätte sie all das schon immer gewusst: dass sie bleiben würde. Nicht weil jemand sie ließ. Sondern weil niemand damit gerechnet hatte.
Diese Geschichte ist Teil meines Projekts über post-dokumentarische Narrative – entwickelt mit KI, Bildern und Texten. Eine Fiktion, die zeigt, dass Design nicht nur schön sein kann, sondern auch bedeutsam.
DWHH – Post Dokumentarische Narrative ist ein künstlerisches Projekt von Daniel Weiss. Alle Texte und Bilder entstehen in Zusammenarbeit mit KI – als Experiment über Kreativität, Wahrnehmung und das Erzählen im digitalen Zeitalter.























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