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Interview mit der Contessa Ludovica di Brera

  • Writer: Daniel Weiss
    Daniel Weiss
  • Oct 26
  • 3 min read

Updated: 3 days ago


Apartment der Contessa Ludovica di Brera in Mailand – ein Ort zwischen Theater und Stille, in dem jedes Objekt eine Geschichte trägt. IMAGE: AI generated by Daniel Weiss
Apartment der Contessa Ludovica di Brera in Mailand – ein Ort zwischen Theater und Stille, in dem jedes Objekt eine Geschichte trägt. IMAGE: AI generated by Daniel Weiss

Gespräch mit der Contessa Ludovica di Brera


Ein Raum im Abendlicht. Porzellanfiguren werfen Schatten auf türkisfarbene Wände. Der Geruch von Wachs, von Hitze, von etwas, das nie ganz abkühlt. Zwischen den Skulpturen steht eine Frau – zu ruhig, um real zu sein, zu anwesend, um erfunden zu wirken.


DW: Contessa, Sie nennen Ihre Sammlung Gli Imperfetti. Wann begann diese Leidenschaft für das, was andere verwerfen?


CLdB: Leidenschaft? Nein. Es war am Anfang keine Leidenschaft. Eher Mitleid. Ich erinnere mich an einen Nachmittag in der Manufaktur von Doccia, ich war vielleicht zehn. Eine Figur fiel im Ofen. Das Gesicht schmolz, die Flügel verzogen sich. Meine Mutter wandte sich ab, ich konnte nicht wegsehen. Ich fand sie schöner, weil sie aufgehört hatte, vollkommen zu sein.


DW: Ist das also Ihr Maßstab für Schönheit – das Scheitern?


CLdB: Scheitern ist ein menschliches Wort. Ich mag Materialbegriffe lieber. Druck. Temperatur. Zeit. Porzellan kennt keine Fehler, nur Reaktionen. Der Ofen lügt nicht. Er zeigt, was bleibt, wenn das Überflüssige verbrennt.


Sie hebt eine Figur auf. Ein Pferd, dessen Kopf nach unten gesunken ist, als würde es über sich selbst stolpern. Die Glasur ist rissig, die Haltung würdevoll.


DW: Was bedeutet es für Sie, all diese Objekte zu bewahren?


CLdB: Ich bewahre nichts. Ich gebe ihnen nur eine zweite Öffentlichkeit. Jedes dieser Wesen trägt die Erinnerung an eine Geste – eine Hand, die zögerte, ein Ofen, der zu heiß war. Ich sehe sie an und denke: So sind wir alle.


Ein kurzer Moment Stille. Man hört draußen den Verkehr, gedämpft durch die Vorhänge aus Seide. Ihre Stimme wird leiser, fast unpersönlich.


Detail einer Porzellanfigur aus der Sammlung der Contessa – eines ihrer ersten Stücke, und daher auch ein absolutes Lieblingsstück. IMAGE: AI generated by Daniel Weiss
Detail einer Porzellanfigur aus der Sammlung der Contessa – eines ihrer ersten Stücke, und daher auch ein absolutes Lieblingsstück. IMAGE: AI generated by Daniel Weiss

CLdB: Früher habe ich perfektes Porzellan gekauft. Meissen, Capodimonte, Limoges. Alles zu glatt, zu vollständig. Irgendwann sah ich mich selbst darin – ohne Bruch, ohne Tiefe. Ich habe es verschenkt. Und angefangen, das zu sammeln, was sich gegen Glätte wehrt.


DW: Glauben Sie, dass das etwas über unsere Zeit erzählt?


CLdB: Vielleicht. Wir haben gelernt, Fehler zu löschen. In Gesichtern, in Oberflächen, in Daten. Aber wenn alles glatt ist, kann nichts mehr bleiben. Ich habe lieber etwas, das bricht – als etwas, das mich nicht mehr berührt.


Sie lächelt kaum merklich. Der Raum scheint aufzuatmen.


DW: Wenn Sie heute in diesen Salon treten – was sehen Sie?


CLdB: Ein Archiv des Unfreiwilligen. Dinge, die anders wurden, als sie sollten. Ich nenne sie meine Zeugen. Sie erzählen nicht, was geplant war, sondern was passiert ist.


DW: Und wenn Sie selbst eine Figur wären – wie sähen Sie aus?


CLdB: (lacht leise) Zerbrochen, natürlich. Aber zusammengefügt mit Gold. Nicht um schöner zu werden, sondern um sichtbar zu bleiben.


Ein Windstoß bewegt den Vorhang. Das Licht flackert über ihre Hände – sie sind fein, aber nicht zittrig. Auf dem Tisch steht ein Stück, das an einen Hund erinnert. Oder an einen Löwen. Oder beides. Vielleicht beides gewesen.


DW: Gibt es eine Figur, die Ihnen besonders viel bedeutet?


CLdB: Ja. Eine Tänzerin, deren Beine im Brand verschmolzen sind. Sie kann nicht mehr stehen, aber der Ausdruck ist geblieben. Wenn ich sie anschaue, denke ich: Das ist der Moment, bevor man begreift, dass Schönheit keine Form braucht. Nur Mut.



DWHH – Post Dokumentarische Narrative ist ein künstlerisches Projekt von Daniel Weiss. Alle Texte und Bilder entstehen in Zusammenarbeit mit KI – als Experiment über Kreativität, Wahrnehmung und das Erzählen im digitalen Zeitalter.


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