Der 13. Stern
- Daniel Weiss

- 1 day ago
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Am Rand des Kontinents
Es beginnt dort, wo Europa aufhört. Wo der Wind die Küsten ausfranst und der Himmel sich mit dem Meer vermischt. Auf einer stillgelegten NATO-Basis, zwischen verrosteten Antennen und zerborstenen Funkmasten, erhebt sich ein Bau, der wie ein Irrtum wirkt – zu schön für die Geschichte, die ihn trägt. Neunzig Meter hoch, aus über hunderttausend Gerüststangen, vollständig in Gelb lackiert:
Der 13. Stern
Im gleißenden Sonnenlicht scheint die Struktur zu flirren, als wäre sie aus Dunst gebaut. Das Metall ist so hell, dass es die Farbe des Tages annimmt – Weiß am Vormittag, Gold am Abend, Schwarz im Gegenlicht. Nachts verwandelt sich der Stern in ein leuchtendes Signal, das weit über das Meer hinaus sichtbar bleibt. Fischer nennen ihn die Sonne der Nacht. Für Reisende ist er ein Orientierungspunkt, ein künstlicher Fixstern, der bleibt, wenn alle anderen verschwinden.

Ein Monument für das Unfertige
Nikos Salda, der Schöpfer des Sterns, spricht leise, wenn er über sein Werk redet. „Die zwölf Sterne auf der europäischen Flagge stehen für Vollkommenheit“, sagt er. „Ich habe einen dreizehnten gesetzt – als Bruch.“Europa, so sieht er es, ist kein abgeschlossenes Projekt, sondern ein Bau in Bewegung. Der Stern ist Ausdruck dieses Gedankens – kein Triumph, kein Denkmal, sondern ein offener Körper, ein Signal im Werden.
Dass er auf einer alten Militärbasis steht, ist kein Zufall. Die Betonfundamente, auf denen früher Waffen gelagert wurden, tragen nun ein Symbol des Friedens. Der Ort, der einst Verteidigung bedeutete, leuchtet heute als Einladung.„Ich wollte, dass dieser Stern kein nationales Zeichen ist“, sagt Salda. „Er besteht aus Teilen, die überall in Europa gefertigt wurden – in Polen, Spanien, Deutschland, Griechenland. Jeder Teil trägt eine andere Herkunft. So ist das Werk selbst ein gelebtes Europa.“
Architektur als Diplomatie
Von der Basis aus führt eine Treppe aus Gitterrost nach oben, spiralförmig, hinauf in das Zentrum des Sterns. Wer steigt, spürt den Wind stärker, hört die Struktur arbeiten. Metall dehnt sich, Kabel singen, der Himmel rückt näher. Von hier aus sieht man weit über das Meer, dorthin, wo die Ränder verschwimmen.Es ist ein stiller Ort, trotz seiner Größe. Ein Ort, der nicht „fertig“ wirkt, sondern im Werden.
Für Salda ist das kein Widerspruch, sondern die Essenz. „Ich komme aus der Diplomatie“, sagt er. „Mein Vater hat mit Sprache verhandelt, ich verhandle mit Raum.“Was er mit dem 13. Stern geschaffen hat, ist eine Form der räumlichen Vermittlung – zwischen Vergangenheit und Zukunft, Konflikt und Hoffnung, Europa und dem, was danach kommt.
Ein Leuchtkörper des Friedens
Nachts strahlt der Stern weit hinaus über das Meer. Die Gerüststangen fangen das Licht ein, werfen es zurück, als wollten sie den Himmel selbst tragen. In der Stille der Dunkelheit wirkt der Bau weniger wie ein Objekt, mehr wie ein Gedanke, der leuchtet.Einige nennen ihn ein Zeichen, andere ein Mahnmal, wieder andere ein Wunder aus Stahl. Doch vielleicht ist er nur das, was er sein soll: ein Gerüst.Eines, das trägt, was zu schwer ist für Worte.
DWHH – Post Dokumentarische Narrative ist ein künstlerisches Projekt von Daniel Weiss. Alle Texte und Bilder entstehen in Zusammenarbeit mit KI – als Experiment über Kreativität, Wahrnehmung und das Erzählen im digitalen Zeitalter.























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